Endometriose – Eine kurze Erklärung
Endometriose ist eine häufige, chronisch entzündliche gynäkologische Erkrankung. Sie zeichnet sich durch das Vorkommen von Gebärmutterschleimhaut ähnlichem Gewebe ausserhalb der Gebärmutter aus.
Da es schwierig ist Endometriose richtig zu diagnostizieren, wird die Erkrankung oft verspätet diagnostiziert. Man geht davon aus, dass zwischen 6% und 15% aller Frauen im gebärfähigen Alter von Endometriose betroffen sind. Bei Frauen, die von Unfruchtbarkeit oder chronischen Beckenschmerzen betroffen sind, liegen die Zahlen deutlich höher.
Für die Entstehung von Endometriose gibt es verschiedene Theorien. Die vorherrschende Theorie geht davon aus, dass mit der Blutung auch rückwärts, entlang der Eileiter, Gewebe ins Becken gelangen kann. Unter gewissen Bedingungen bleiben diese Zellen dort lebensfähig und können sich als Endometrioseherde festsetzen.
Risikofaktoren für die Entstehung von Endometriose sind alle Faktoren, die auch die Menstruationsblutung verstärken: junges Alter bei Beginn der Menstruation, starke und lange Blutungen, keine Schwangerschaften und Stillzeiten, sowie kurze Zyklen. Diese „retrograde Menstruation“ lässt sich aber bei circa 90% aller Frauen beobachten und kann somit nicht die alleinige Erklärung für Endometriose sein.
Erst in den letzen Jahren wurde damit begonnen weitere Faktoren zu erforschen. Erste Ergebnisse weisen darauf hin, dass verschiedene Faktoren zur Entstehung beitragen. Zu diesen Faktoren gehören chronische Entzündungsprozesse im Körper, genetische Faktoren, eine Dysfunktion des Immunsystems, eine veränderte Darmflora, sowie Umwelt- und Lebensstilfaktoren (Bewegung und Ernährung).
In seltenen Fällen können Endometrioseherde auch an anderen Stellen im Körper, weit entfernt von der Gebärmutter vorkommen. Man geht davon aus, dass sich Stammzellen unter bestimmten Bedingungen auch dort zu Gebärmutterschleimhautzellen entwickeln oder sich Gebärmutterzellen durch den Blut- oder Lymphstrom verteilen können.
Ein weiterer Einflussfaktor sind die weiblichen Sexualhormone (Östrogene). Mit dem normalen Zyklus der weiblichen Hormone kann sich auch das ausserhalb der Gebärmutter befindliche Endometriosegewebe verdicken und sogar bluten. Dieser Prozess führt zu lokalen Entzündungsherden und Verklebungen durch Narbenbildung. Aufgrund der Abhängigkeit der Endometriose von Östrogenen verbessern sich die Beschwerden oft nach der Menopause. Endometrioseherde können teilweise auch selbst Östrogene produzieren und so das Fortschreiten der Erkrankung beschleunigen.
Die Einteilung von Endometriose erfolgt nach Schweregrad, Anzahl, Lokalisation, Eindringtiefe und Grösse der Endometrioseherde. Jedoch gibt es nur einen bedingten Zusammenhang zwischen den von den Patientinnen subjektiv erlebten Symptomen und dem diagnostizierten Schweregrad.
Leitsymptom sind chronische, oft mit dem Menstruationszyklus verknüpfe Schmerzen in Bauch- und Beckenbereich. Weitere Symptome können Rückenschmerzen, ausstrahlende Schmerzen in die Beine, Verdauungsbeschwerden (z.B. Verstopfung oder Durchfall), Schmerzen beim Geschlechtsverkehr oder Blasenbeschwerden sein. Zudem wird Endometriose mit einem erhöhten Risiko für Depression, chronische Erschöpfung und auch Migräne in Verbindung gebracht. Oft leiden Alltagsaktivitäten und persönliche Beziehungen unter den Beschwerden.
Durch chronische Entzündungen im Bereich der Endometrioseherde kann es in zu Narbenbildung und Verklebungen mit dem umliegenden Gewebe kommen. Dies kann zu Dauerschmerzen und Funktionseinschränkungen führen (siehe Exkurs chronische Schmerzen).
Eine mögliche Komplikation betrifft die Fähigkeit einer Frau schwanger zu werden und ein Kind auszutragen. Durch Befall der Eierstöcke oder Eileiter kann es zu einer Behinderung des Eisprungs oder der Wanderung der Eizelle in die Gebärmutter kommen.
-
Bei chronischen Entzündungsprozessen im Rahmen der Endometriose kommt es zur vermehrten Ausschüttung von entzündungsverstärkenden Botenstoffen (lokal und systemisch). Eine andauernde Aussetzung gegenüber diesen Botenstoffen führt zur Veränderung der Schmerzsensitivität. Diese Veränderung findet in einem ersten Schritt meist lokal statt und kann dann aber auch auf die zentralen Schmerzleitungsbahnen übergehen.
Nervenzellen können Schmerz signalisieren, obwohl kein Reiz erfolgt ist. Der Schmerz hat sich ins Gehirn „eingebrannt“. Somit verliert der Schmerz seine ursprüngliche Warnfunktion. Diese chronisch gewordenen Schmerzen bedürfen einem ganzheitlichen Behandlungsansatz. Zur lokalen Behandlung am Ort des Schmerzempfindens kann die Behandlung medikamentös unterstützt werden. Es geht darum die veränderte Gehirnchemie wieder ins Gleichgewicht zu bringen.
Die durchschnittliche Verzögerung zwischen Beginn der Symptome und Diagnose von Endometriose beträgt circa 8-10 Jahre. Ein Grund hierfür ist die oft unspezifische Schmerzsymptomatik, die Überschneidungen mit vielen anderen Krankheitsbildern hat. Ein anderer Faktor ist, dass lange Zeit die Diagnose nur operativ gestellt werden konnte. Viele Frauen berichten auch, dass ihre Beschwerden lange Zeit nicht ernst genommen werden, manchmal auch von behandelnden Gynäkolog:innen.
Eine Diagnosestellung wird heutzutage auf Basis der Krankengeschichte, gynäkologischer (Tast-)Untersuchung und Bildgebung gestellt und muss nicht unbedingt operativ bestätigt werden. Die Diagnosestellung (je nach Lokalisation) wurde in den letzen Jahren durch die Nutzung von transvaginalem Ultraschall und MRI vereinfacht.
Viele Studien bestätigen auch die Möglichkeit nach einem klinischen Verdacht eine medikamentöse Behandlung durchzuführen. Spricht diese positiv an, kann dies als Bestätigung der Diagnose gesehen werden. Die minimalinvasive Operation (Laparoskopie) verbleibt aber weiterhin die einzige Möglichkeit leichteren Befall definitiv zu bestätigen.
Bisher gibt es keine Möglichkeit Endometriose zu heilen. Bestehende Behandlungsansätze versuchen durch medikamentöse Therapie, Operation und assistierte Reproduktionstechniken Symptome zu lindern und Unfruchtbarkeit zu behandeln.
Medikamentöse Therapien (durch Schmerzmittel und Hormone) zielen darauf ab eine symptomatische Verbesserung und im Idealfall eine Verlangsamung oder Umkehrung der Erkrankung zu erreichen.
Ein erster Therapieansatz kann die Einnahme einer Verhütungspille (mit Östrogen und Progesteron) sein, die den Körper in einen Pseudo-Schwangerschaftszustand versetzt. Spricht diese Therapie nicht an, können Medikamente eingesetzt werden, die die körpereigene Östrogenproduktion reduzieren und somit einen der Menopause ähnlichen Zustand erzeugen (GNRH-Antagonisten).
Bei erfolgloser medikamentöser Therapie ist ein operativer Eingriff oft der einzig verbleibende Behandlungsansatz. Dabei unterscheidet man zwischen konservativer und radikaler Operation. Konservative Eingriffe erfolgen meist minimalinvasiv (Laparoskopie) und zielen darauf ab Endometrioseherde und Verklebungen zu entfernen. Radikale Eingriffe beinhalten meist die teilweise oder vollständige Entfernung betroffener Organe (v.a. Eierstöcke, Gebärmutter, Darmabschnitte) und werden meist nur nach abgeschlossener Familienplanung durchgeführt.
Leider kann es auch nach der Entfernung von Endometrioseherden und Verklebungen zu einem Wiederauftreten der Erkrankung kommen. Auch die Operation selbst kann zu Narbenbildung führen. Eingriffe an den Eierstöcken können darüber hinaus zu mehr Unfruchtbarkeit führen, weil Eizellen beschädigt werden können. Weiterhin hat jede Operation ihre Risiken und umso tiefer die Endometrioseherde liegen, umso grösser das Potenzial für Komplikationen.
-
Bonocher, C. M. et al. (2014) ‘Endometriosis and physical exercises: A systematic review’, Reproductive Biology and Endocrinology, 12(1). doi: 10.1186/1477-7827-12-4.
Chapron, C. et al. (2019) ‘Rethinking mechanisms, diagnosis and management of endometriosis’, Nature Reviews Endocrinology. Springer US, 15(11), pp. 666–682. doi: 10.1038/s41574-019-0245-z.
Daraï, C. et al. (2015) ‘Impact of osteopathic manipulative therapy on quality of life of patients with deep infiltrating endometriosis with colorectal involvement: Results of a pilot study’, European Journal of Obstetrics and Gynecology and Reproductive Biology, 188, pp. 70–73. doi: 10.1016/j.ejogrb.2015.03.001.
Falcone, T. and Flyckt-Rebecca, R. (2018) ‘Clinical management of endometriosis’, Obstetrics and Gynecology, 131(3), pp. 557–571. doi: 10.1097/AOG.0000000000002469.
Kiesel, L. and Sourouni, M. (2019) ‘Diagnosis of endometriosis in the 21st century’, Climacteric. Taylor & Francis, 22(3), pp. 296–302. doi: 10.1080/13697137.2019.1578743.
Leonardi, M. et al. (2020) ‘Endometriosis and the microbiome: a systematic review’, BJOG: An International Journal of Obstetrics and Gynaecology, 127(2), pp. 239–249. doi: 10.1111/1471-0528.15916.
Levin, G. et al. (2020) ‘Endometriosis—It is not just benign’, Journal of Gynecology Obstetrics and Human Reproduction, 49(7). doi: 10.1016/j.jogoh.2020.101744.
Mehedintu, C. et al. (2014) ‘Endometriosis still a challenge’, Journal of medicine and life, 7(3), pp. 349–357.
Ott, S. (2017) ‘Osteopathische Ansätze bei Endometriose’, Osteopathische Medizin. Elsevier GmbH, 18(2), pp. 4–9. doi: 10.1016/S1615-9071(17)30046-1.
Scutiero, G. et al. (2017) ‘Oxidative Stress and Endometriosis: A Systematic Review of the Literature’, Oxidative Medicine and Cellular Longevity, 2017. doi: 10.1155/2017/7265238.
Secosan, C. et al. (2020) ‘Endometriosis in menopause—renewed attention on a controversial disease’, Diagnostics, 10(3), pp. 1–12. doi: 10.3390/diagnostics10030134.
https://www.usz.ch/krankheit/endometriose/ (15.10.2021)
https://www.pschyrembel.de/endometriose/K06TL/doc/ (15.10.2021)
Leitlinenprogramm Diagnostik und Therapie der Endometriose https://www.awmf.org/leitlinien/detail/ll/015-045.html (15.10.2021)
https://www.one-in-ten.de/osteopathin-linda-schendel-im-interview/ (15.10.2021)